Durch die Zivilverfahrensnovelle 2023 vom 19.07.2023 und durch die Änderung des AVG und anderen Verwaltungsverfahrensgesetzen vom 20.07.2023 wird flächendeckend die Möglichkeit von Videokonferenzen/virtuellen Verhandlungen eingeführt. Auch wenn es sich dabei nicht um eine „Zwangsmaßnahme“ handelt und im Einzelfall die Sinnhaftigkeit dieser technischen Kommunikationsmittel zu prüfen ist und die Parteien auch unter bestimmten Voraussetzungen dieser Verhandlungsform widersprechen können, wird sich in der Praxis diese „Videoverhandlung“ immer mehr durchsetzen.

Betroffen sind von diesen technischen Möglichkeiten folgende Verhandlungen:

  • mündliche Verhandlungen im Zivilprozess erster Instanz. Dies betrifft Verhandlungen ohne persönliche Anwesenheit von Parteien, ihren Vertretern, die mündliche Gutachtenserstattung von gerichtlich bestellten Sachverständigen und die Vernehmung der Parteien. 
  • Tagsatzungen zur mündlichen Verhandlung im außerstreitigen Verfahren
  • Anhörungen nach dem Unterbringungsgesetz
  • Anhörungen nach dem Heimaufenthaltsgesetz
  • mündliche Verhandlungen und Einvernehmungen im Insolvenzverfahren
  • mündliche Verhandlungen, Tagsatzungen und Einvernehmungen (mit Ausnahme des Versteigerungstermines) im Exekutionsverfahren
  • Mündliche Verhandlungen im Bereich der Justizverwaltung
  • Verhandlungen im Anwendungsbereich des AVG
  • Vernehmung des Beschuldigten im Anwendungsbereich des Verwaltungsstrafgesetzes
  • Verhandlungen der Verwaltungsgerichte

Virtuelle Gesellschafterversammlungen

Was während der Pandemie noch als Ausnahme gelten sollte, wird nunmehr immer weiter in den dauernden Rechtsbestand übergeleitet:

Das virtuelle Gesellschaftsversammlungen-Gesetz vom 19.07.2023 ermöglicht es, bei Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, Vereinen, Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, kleinen Versicherungsvereinen und Sparkassen im Gesellschaftsvertrag vorzusehen, dass eine Versammlung der Gesellschafter ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer über Videokonferenzen durchgeführt werden kann (virtuelle Versammlung). Die Frage, ob das schon bisher zulässig war, ist damit jedenfalls obsolet. Zu beachten ist, dass es sich dabei z. B. bei Aktiengesellschaften oder GmbHs nur um die Gesellschafterversammlungen (Hauptversammlung oder Generalversammlung) handelt. Eine Regelung für andere Organe dieser Kapitalgesellschaften (z. B. Aufsichtsrat und dessen Ausschüsse) ist in diesem Gesetz (noch) nicht enthalten. Der Gesellschaftsvertrag kann dabei aus 3 Möglichkeiten alternativ oder kombiniert wählen:

  • Einfache virtuelle Versammlung: Teilnahmemöglichkeit mittels einer akustischen und optischen Zweiwegverbindung in Echtzeit
  • Moderierte virtuelle Versammlung:  Übertragung der Versammlung für die Teilnehmer. Die Gesellschafter haben jederzeit die Möglichkeit, sich im Wege elektronischer Kommunikation zu Wort zu melden. Die Gesellschafter können ihr Stimmrecht im Wege elektronischer Kommunikation ausüben.
  • Hybride Versammlung: Wahlmöglichkeit der Teilnehmer zwischen einer physischen und einer virtuellen Teilnahme.

Wir werden den Vertragsparteien bei künftigen Gesellschaftsgründungen oder bei künftigen Gesellschaftsvertragsänderungen empfehlen, auch diese Möglichkeit in den Gesellschaftsvertrag einzustellen.

Eine sofortige Umsetzung dieser Möglichkeit in eine bestehende Gesellschaft wäre dann erforderlich, wenn die Arbeitsweise der Gesellschafter durch ihre weitverzweigten Wohnsitze eine solche Reform des Gesellschaftsvertrages sinnvoll macht.

Bei Fragen oder Anliegen zu diesem Thema wird unser Team Ihnen gerne rechtlichen Beistand leisten!