Bei Verhinderung eines Elternteiles bestimmte § 178 Abs 1 ABGB bislang, dass das Gericht zu entscheiden hat, ob der andere Elternteil oder welches Großelternpaar (Großelternteil) oder Pflegeelternpaar (Pflegeeltern) mit der Obsorge über ein Kind zu betrauen ist („Großelternprivilegien„). Das Gericht kann gemäß § 204 ABGB eine „andere“ geeignete Person mit der Obsorge betrauen, wenn weder Eltern, noch Großeltern oder Pflegeeltern mit der Obsorge betraut werden können. Dabei muss das Gericht das Kindeswohl berücksichtigen.

Mit Erkenntnis vom 09.03.2023, G 223/2022-26 hob der Verfassungsgerichtshof diese „Großelternprivilegien“ als verfassungswidrig auf (siehe BGBl I 30/2023). Der Verfassungsgerichtshof sieht den privilegierten Personenkreis der Großeltern als zu eng an und betrachtet den Ausschluss anderer enger Familienangehöriger (z.B. Geschwister, Tanten und Onkel) aus diesem Personenkreis als gleichheitswidrig.

Die Aufhebung tritt ab 30.09.2024 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt ist das Pflegschaftsgericht bei der Auswahl der zur Obsorge berechtigten Person frei. Dabei kann es jede Person wählen, ohne Einschränkung auf den Personenkreis von Großeltern oder Pflegeeltern.

Bei der Erstellung von Testamenten ist zu beachten, dass die Eltern begründete Vorschläge betreffend der Obsorge ihrer Kinder machen können, wenn sie versterben. Das Pflegschaftsgericht nimmt solche Vorschläge bei seiner Entscheidung ernst, obwohl es natürlich nicht an diese gebunden ist. Ist für den Todesfall eine Obsorge durch die Großeltern erwünscht, ist diese Möglichkeit zur letztwilligen Vorsorge künftig sehr wichtig.

(Autor: Dr. Michael Metzler)