Durch die Erbrechtsnovelle 2015 (ErbRÄG 2015) wurden die Formerfordernisse für fremdhändige Testamente neu definiert. In den letzten Jahren hat zudem der OGH mehrfach zu den Formvorschriften für die Errichtung fremdhändiger Testamente Stellung genommen und dabei rigide Formvorschriften für Testamente entwickelt (siehe etwa 2 Ob 4/21h, 2 Ob 143/19x, 2 Ob 77/20t). Anlässlich der jüngsten Entscheidung 2 Ob 29/22m setzt der OGH diese Tendenz fort und hebt die Formvorschriften für fremdhändige letztwillige Verfügungen weiter an. Dieser Artikel gibt einen Überblick, welche formalen Voraussetzungen bei der Errichtung eines fremdhändigen Testaments auf Grund des ErbRÄG 2015 und der jüngeren Rechtsprechung zu beachten sind.

Der letzte Wille („Testament“) kann eigenhändig oder fremdhändig erklärt werden.

Um wirksam eigenhändig ein Testament aufzusetzen, muss dieses zur Gänze eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden. Ort und Datum sollten beigesetzt werden. Diese Errichtungsform ist formal wenig fehleranfällig, bei komplexeren Testamenten aber beschwerlich und bei Errichtung durch juristische Laien rechtlich riskant.

Ein gültiges fremdhändiges Testament (z. B.: ein am Computer oder von einer anderen Person handschriftlich verfasstes Testament) ist in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig zu unterschreiben. Der Verfasser hat handschriftlich zu vermerken, dass es sich dabei um seinen letzten Willen handelt (sogenannte „nuncupatio“; z. B. vor der Unterschrift: „Das ist mein letzter Wille.“). Die Zeugen müssen die letztwillige Verfügung ebenfalls unterschreiben und zusätzlich handschriftlich ihre Zeugeneigenschaft festhalten (z.B.: „als Zeuge“). Die Identität der Zeugen muss aus dem Dokument hervorgehen (z. B.: „Max Mustermann aus XY“). Diese Anforderungen wurden durch das ErbRÄG 2015 neu festgelegt. Früher war z. B. eine handschriftliche „nuncupatio“ und Angabe der Zeugeneigenschaft nicht erforderlich.

Die Rechtsprechung hat sich zuletzt mehrfach mit der Frage beschäftigt, wie mehrere Seiten eines fremdhändigen Testaments miteinander in Verbindung stehen müssen. Im Hinblick auf erhöhte Fälschungssicherheit wird bei einem fremdhändigen mehrseitigen Testament eine äußere oder innere Urkundeneinheit verlangt:

  • Ein äußerer Zusammenhang ist gegeben, wenn vor dem Unterschreiben oder in unmittelbarem Anschluss daran eine äußere Urkundeneinheit hergestellt wurde. Dies erfolgt z. B. durch Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile, wodurch diese nicht mehr oder nur mit Beschädigung der Urkunde gelöst werden können. Bewährt hat sich anstelle von losen Blättern der Einsatz von A3-Bögen, auf welchem ein 4-seitiges Testament (in A4-Größe) Platz findet. Ein bloßes Zusammenklammern genügt nicht!
  • Der innere Zusammenhang konnte bisher entweder durch Fortsetzung des Textes oder durch Vermerk auf dem nächsten Blatt mit Bezugnahme auf seine letztwillige Verfügung hergestellt werden. Dabei musste erkennbar sein, auf welche inhaltliche Anordnung sich der Vermerk bezieht. Die Rechtsprechung ist streng. In bisher ergangenen Entscheidungen zur Formgültigkeit wurde das Bestehen einer inneren Urkundeneinheit stets verneint. In 2 Ob 192/17z war es etwa nicht ausreichend, dass sich auf dem zweiten losen Blatt nur die Unterschrift der Testamentszeugen befand. Diese Linie hat Sinn, weil ansonsten die Errichtung fremdhändiger Testamente mit „Blanko-Unterschriften“ vereinfacht werden würde. Auch in der Entscheidung 2 Ob 143/19x genügte ein zweites loses Blatt mit Ort und Datum der Verfügung, handschriftlicher Nuncupatio sowie den Unterschriften des Erblassers und der Testamentszeugen nicht zur Herstellung innerer Urkundeneinheit. Keines der Elemente auf dem zweiten losen Blatt stellte einen inhaltlichen Bezug zur Verfügung her. Auch eine fortlaufende Seitennummerierung reichte zur Herstellung einer inneren Urkundeneinheit nicht aus.

Nach der jüngst ergangenen Entscheidung 2 Ob 29/22m  genügt auch die reine Textfortsetzung auf der nächsten Seite bei einer computergeschriebenen letztwilligen Verfügung nicht. Begründet wird das damit, dass die Gültigkeit eines Testaments nicht davon abhängen kann, ob das erste lose Blatt zufällig mit einem (Ab-) Satz abschließt oder sich der Satz auf die nächste Seite erstreckt. Bei einem mehrseitigen Testament ist daher zur Herstellung des inneren Zusammenhangs unbedingt eine inhaltliche Bezugnahme auf die vorherigen Seiten erforderlich. Es muss eindeutig sein, auf welche inhaltliche Anordnung sich ein Vermerk auf einer anderen Seite bezieht. Es darf kein Zweifel daran bestehen, dass ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Seiten besteht.

Angesichts der jüngeren Rechtsentwicklung ist bei der Errichtung fremdhändiger Testamente große Vorsicht geboten. Insbesondere mehrseitige fremdhändige Testamenten ohne „körperliche“ Urkundeneinheit (einheitlicher Papierbogen, Bindung oder dgl.) sind auf ihre Formgültigkeit zu prüfen. Die Rechtsfolge einer Verletzung der Formvorschriften für Testamente ist schwerwiegend: Ein Testament kommt dann nicht wirksam zustande und ist in einem Verlassenschaftsverfahren nicht zu berücksichtigen. Es gilt dann entweder ein früheres Testament oder die gesetzliche Erbfolge, was zu gravierenden Abweichungen vom tatsächlichen letzten Willen führen kann.

Wer rechtssicher seine Nachlassvorsorge regeln möchte, sollte sich rechtlich beraten lassen. Auf Grund der jüngeren Rechtsentwicklungen empfiehlt sich auch eine nachträgliche Kontrolle der Formgültigkeit bereits errichteter Testamente. Unser Team berät Sie gerne.

Übrigens: Nutzen Sie die Gelegenheit der Kontrolle Ihres Testaments, um Ihr Testament im elektronischen Testamentsregister der österreichischen Rechtsanwälte zu registrieren. Damit stellen Sie sicher, dass das Testament nicht verloren geht und im Erbfall unverfälscht vorgefunden wird.