Epidemiegesetz

§ 20 des Epidemiegesetzes enthält unter dem Titel „Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen“ eine Aufzählung bestimmter Krankheiten und in Absatz 4 die Ermächtigung, durch Verordnung diesen Katalog zu erweitern. Tatsächlich hat der Bundesminister für Soziales, Gesundheitspflege und Konsumentenschutz diese Verordnung am 28.02.2010, BGBl II 74/2020, erlassen und verordnet, dass die in § 20 Abs 1 bis 3 des Epidemiegesetzes bezeichneten Vorkehrungen auch bei Auftreten einer Infektion mit SARS-Cov2 („2019 neuartiges Coronavirus“) getroffen werden können. Dies ist eine eindeutige Vorbereitungsmaßnahme schon am 28.02.2020 für eine  Verordnung nach dem Epidemiegesetz gewesen.

§ 32 des Epidemiegesetzes enthält unter dem Titel „Vergütung für den Verdienstentgang“ für Betroffene betraglich unlimitierte Ansprüche auf Vergütung für den Verdienstentgang gegen den Bund, wenn sie „in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind“ (Z 4) oder „ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist“. Für die Bemessung des Verdiensteinganges sieht § 32 Abs 4 Epidemiegesetz vor: „Für selbstständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.“ Diese Entschädigung unterscheidet nicht zwischen großen und kleinen Unternehmen und hat vor Augen, dass derartige „allgemeine Lasten“ auf sämtliche Steuerzahler aufzuteilen sind.

Nach § 33 des Epidemiegesetzes ist der Anspruch auf Entschädigung binnen 6 Wochen nach Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde geltend zu machen.

Covid-19 Gesetz

Durch das Covid-19 Gesetz, BGBl I 12/2020, wurden bestimmte Unterstützungsfonds eingerichtet und ein Bundesgesetz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid-19 (Covid-19-Maßnahmengesetz) erlassen. Dieses Gesetz ist nunmehr die Grundlage für die bekannten Verordnungen.

In den Bestimmungen über das Inkrafttreten in § 4, wo man derartig relevante Regelungsinhalte eigentlich nicht vermuten würde, ist folgende Bestimmung enthalten: „Hat der Bundesminister gemäß § 1 (Anmerkung: dieses Covid-19-Maßnahmengesetzes) eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung.“ Damit sind Ansprüche auf Vergütung für den Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz zur Gänze ausgehebelt, weil nun nicht mit Verordnungen nach dem Epidemiegesetz, sondern mit Verordnungen nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz agiert wird.

Zusammenfassung

  • Durch die Verordnung vom 28.02.2020 wurden vorerst die Voraussetzungen für Verordnungen nach § 20 Epidemiegesetz mit der Auswirkung der Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz geschaffen. Die Ansprüche nach dem Epidemiegesetz sind betraglich unbeschränkt und betreffen Arbeitnehmer und Unternehmen.
  • Entgegen dieser offensichtlichen Planung wurden die als Covid-19-Maßnahmen erlassenen Verordnungen nicht nach dem Epidemiegesetz erlassen, sondern nach dem neuen Covid-19-Maßnahmengesetz, wodurch eine Vergütung eines aus diesen Maßnahmen resultierenden Verdienstentganges ausgeschlossen ist. Dieser Ausschluss von Entschädigungen ist im Gesetz nicht sofort klar erkennbar enthalten, sondern „versteckt“ sich im Absatz über das Inkrafttreten.

Stellungnahme

Wenn der Gesetzgeber weitergehende Verordnungen erlassen will, hätte es einer bloßen Novelle des § 20 Epidemiegesetz bedurft, um entsprechende Verordnungsermächtigungen zu  konkretisieren. Dass die Bundesregierung ursprünglich der Meinung war, § 20 Epidemiegesetz wäre eine ausreichende Verordnungsgrundlage, ergibt sich aus der Verordnung vom 28.02.2020. Es hätte nicht dieser Regelung im Covid-19-Maßnahmengesetz bedurft, wenn es dem Gesetzgeber nicht gerade darauf angekommen wäre, Ersatzansprüche abzuschneiden. Ob diese Vorgehensweise des Gesetzgebers verfassungskonform ist, weil eine bestehende Entschädigungsmöglichkeit nach Auftreten der Epidemie abgeschnitten wurde, wird vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu beurteilen sein. Bei der Beurteilung hätte der VfGH natürlich mitberücksichtigen, inwieweit eine vollumfängliche Ersatzpflicht des Bundes zu einer Überlastung des Staatshaushaltes bis hin zum „Staatsbankrott“ führen würde.

Unsere Verfassungsrechtsexperten stehen für Anfragen und Anliegen in diesem Zusammenhang gerne zur Verfügung und prüfen gerne die Rechtschutzmöglichkeiten betroffener Personen und Unternehmen.